Ungezieferjagd


Neulich hat ein Klinikumsmitarbeiter dagegen geklagt, vom Abfallmanagement ins Projektmanagement versetzt zu werden. Auch anderweitig scheint die Entsorgung längst die Besorgung ins Abseits gedrängt zu haben. Bei mir auch.  Beispielsweise beim Mail-Management. Inzwischen bin ich da vorwiegend damit beschäftigt , die überhand nehmend Spammails zu beseitigen. Genauer gesagt jene Mails, die es schaffen die offensichtlich überforderten Spamfilter zu überwinden. 


Ha, schon wieder eine! Wo ist die Fliegenklatsche? Erwischt! 

Edeka? Die kenn ich nicht, ab dafür! 

Soso, mein iCloud-Speicher ist voll. Ja, mit Müll wie diesem, nimm dies, du Töle!


Da erwacht der innere Kammerjäger. 


Das als DHL, McAfee oder Otto verkleidete Ungeziefer muss weg. Inzwischen dauert das eine Weile. Lange genug um zu vergessen, dass man eigentlich jemanden schreiben wollte oder dass noch eine normale Mail darauf wartet, gelesen zu werden. 


Mit der Abfallvermeidung ist es dabei, wie im richtigen Leben, nicht weit her. So funktioniert das angeblich nachhaltige Blockieren der Spamabsender leider nur bedingt . Die tarnen nämlich ihre eigentliche Mailadresse, so dass man die Richtige erst in der erweiterten Kopfzeile finden, kopieren und dann in die Blockliste eintragen muss. 


Dabei habe ich unlängst in einer Kopfzeile sogar den Befehl „nojunk“ entdeckt. Ah, denkt sich da die künstliche Filterintelligenz, der Spammer hat gesagt, er spamme nicht, dann will ich das mal glauben. 


 Soll ich nun frustriert aufgeben und ins allgemeine Endzeitgejammer einstimmen? Mitnichten! Ich habe mein Mailprogramm einfach umbenannt. In Counter-Strike. Nun freue ich mich immer, wenn ich Nachschub zum Niedermetzeln habe. Und dieses Ballerspiel kostet noch nicht mal was.          



Saftladen!


Meta mag mich nicht. Und ich weiß noch nicht einmal warum. Der Internetkonzern hat mich ohne Angabe von Gründen bei Instagram und Threads rausgeschmissen. Bei Facebook und Whatsapp, die beide ebenfalls zu Meta gehören, ließ man mich hingegen noch gewähren.  


Als ich neulich ein fröhliches Frühlingsbild bei Instagram hochladen wollte, um auf meinen wöchentlichen Franken-Newsletter hinzuweisen, ging nichts mehr. Blockiert! Wegen „Verstoßes gegen die Gemeinschaftsrichtlinien“. Auf die Plattform Threads kam ich auch nicht mehr. 


Wenn ich wenigstens Nippel, Pimmel oder Zuckerberg-Beleidigungen gepostet hätte. Aber nichts dergleichen. Ich hatte keine Ahnung, was ich falsch gemacht haben könnte. Deswegen wollte ich selbstverständlich wissen, was los ist. Dazu sollte ich zunächst zur Identifikation meine Handynummer eingeben. Die hatte ich der Datenkrake bislang vorenthalten. Aber gut, wenn´s der Wahrheitsfindung dient. 


Doch als ich mich dann per Handy identifiziert hatte, wollten sie ein Passbild von mir. Hä? Und als nächstes vielleicht noch meine IBAN mit PIN oder was? Da müssen Hacker dahinter stecken, die mein Profil kapern wollen, dachte ich. Deshalb schrieb ich eine Mail an Meta, bekam aber nur eine Empfangsbestätigung.  


Letztlich tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass auf Threads eh nicht viel los ist und auf Instagram eigentlich auch nicht, wenn man von Söderschen Essensfotos und touristischen Aufenthaltsnachweisen absieht. 


Eines Tages bekam ich dann aber eine Nachricht von Threads, dass ich einen neuen Follower hätte. Offenbar war ich wieder drin. Auch Instagram ging plötzlich wieder. 


Na, dann entschuldige ich mich gleich mal bei meinen Lesern für die Abstinenz und weise sie darauf hin, was das hier für ein seltsamer Verein ist, der ohne Grund Nutzer sperrt. Doch kaum gepostet, waren diese Informationen schon wieder gelöscht. 


Während öffentlich vor allem Twitter/X und TikTok in der Kritik stehen, kann ich sagen: Die Zuckerberg-Plattformen sind  auch nicht besser. 


Immerhin darf ich wenigstens in Sechsundsechzig noch schreiben: Meta ist ein blöder Laden.  


Die gute, alte Brieftasche


Benutzt heute noch jemand eine Brieftasche? Ich kenne jedenfalls niemanden. 


Mein Großvater hatte noch eine. Da waren tatsächlich noch Briefe drin. Und sein grauer Führerschein. Den musste er nicht mal knicken. 


Ich hatte nie eine. In meinen Sakkos fehlt inzwischen sogar meistens die dafür vorgesehene Brusttasche. Oder die ist so geschrumpft, dass höchstens noch das Handy reinpasst. Da sind übrigens meine Briefe drin. Die heißen jetzt Mails.


Bei der EU kümmert man sich jedoch um untergegangene Kulturgüter. Bevor keiner mehr weiß, was eine Brieftasche ist, führt die Europäische Union rasch eine ein. Immerhin eine digitale. In spätestens zwei Jahren soll sie in allen EU-Ländern verfügbar sein. Und die Sakkohersteller müssen nicht einmal umdenken. Die „Digitale Brieftasche“ passt aufs Handy. 


Laut EU soll man in der neuen „Brieftasche“ seine Dokumente und seine „digitale Identität“ verwalten können. Man kann sich dann gegenüber Banken, Ärzten und den Onlinehändlern ausweisen. Damit die keine unnötigen Daten abgreifen, darf sogar ein Pseudonym benutzt oder bei der Altersbestätigung das genaue Geburtsdatum verschwiegen werden. 


Hört sich gut an. Verdächtig gut. Denn sind alle wichtigen Daten an einem  Ort, muss der Hacker nur einmal knacken. Hat er dann Zugriff auf die App kann er sich problemlos für mich auszugeben und freudig flöten: „Depp ist mein Name, Depp Imweb!“ 


Will ich das? Brauch ich das? Mein Alter, zum Beispiel, habe ich schon bislang ohne genaues Geburtsdatum bestätigt. Etwa auf Pornoseiten. Da klickt man auf die Frage, ob man schon 18 ist, einfach auf „Ja“ und fertig ist die Laube.  


Wobei,  eine Laube hat ebenfalls kaum noch einer. Vielleicht sollte die EU da auch mal ran. 

    


Digitales Delegieren


Angeblich soll es von jedem von uns sieben Doppelgänger auf der Erde geben. Dass man diese einsetzen kann, um sich das Leben zu erleichtern, haben einige schon ausgenutzt.  Von Stalin, Hitler, Saddam Hussein, aktuell aber auch von Putin wird das berichtet. So kann der Diktator auch mal im Kriegsgebiet Hände schütteln, ohne Angst haben zu müssen, von einer Kugel getroffen zu werden. Die trifft dann höchstens das Double. Und davon hat man - statistisch gesehen - dann immer noch sechs übrig. 


In Deutschland gibt es sogar Agenturen, die Doubles vermitteln. Wer seine Partygäste etwa mit einem „Stargast“ Olaf Scholz oder einem Helene-Fischer-Auftritt beglücken möchte, der fährt mit Doppelgängern um einiges günstiger als mit dem Original.


Im Arbeitsleben hätte mancher auch gerne jemanden, den er auf nervige Termine schicken könnte. Zum Beispiel auf öde Meetings. 


Hier gibt es jetzt Abhilfe. Zu Video-Konferenzen kann bald auch ein Avatar geschickt werden. Der wird vorher mit der eigenen Stimme, typischen Bewegungen und ein paar Worthülsen gefüttert und sitzt dann in der Konferenz rum, guckt verbindlich und streut hin und wieder Begriffe wie „Expertise“, „Purpose“, „Synergie“, „Narrativ“, „flexibel“ oder „disruptiv“ ein. Auch mit Sätzen wie „wichtig ist, was am Ende rauskommt“, „ein Spiel dauert 90 Minuten“ und „die anderen kochen auch nur mit Wasser“ kann, mit einem „tatsächlich“ oder einem „ich sage das ganz klar“ versehen, der Avatar Führungskompetenz ausstrahlen. 


Nach der Konferenz, so verspricht das Softwareunternehmen Zoom, erstattet einem der digitale Doppelgänger kurz Bericht. Eventuell auch ganz kurz: „Laaangweilig“, „sei froh, dass du nicht dabei warst“. 


Da Zoom die Avatare schon für 12 Dollar im Monat bereit stellen will, könnte es aber leicht sein, dass andere auch ihre Doubles auf die Video-Konferenz schicken und dort irgendwann gar kein echter Mensch mehr mitmischt. 


Bloß was macht der echte Mensch, das unabkömmliche Original, stattdessen? Daddeln, Serien gucken, Nase popeln…. am Ende vielleicht gar regieren. Bloß wen? Vielleicht ein paar Avatare. Die haben dann aber möglicherweise schon Karriere gemacht und husten einem was. Mit der eigenen Stimme.   


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